Jürgen Heckmanns
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Jürgen Heckmanns


Jürgen Heckmanns, Herford, 26.09.2006, im Atelier
von Prof. Dr. Karlheinz Nowald, Berlin

Er sagte, es gehe nicht ums Papier als ungewohnter Kunststoff. Allerdings ist Papier praktisch, preiswert, geduldig, stabil genug und also genau das Material, das ihm die Verwirklichung seiner Ideen leichter macht. Denn zusammen mit Tapetenkleister ist es bildsam, erlaubt Miniaturen ebenso wie große Formate, nimmt auch Zeichnung und Farbe an, lässt sich fast beliebig kneten und bilden, kann starre Festigkeit gewinnen und dabei doch fragil bleiben. Und ist federleicht.
Eine Zeitlang benutzte Jürgen Heckmanns diesen Stoff wie Plastilin und modellierte aus ihm kleine Figuren, deren Vorlagen auf Zeitungspapier gedruckte Abbildungen waren. Die Figürchen gaben den flachen Bildern Körperlichkeit und brachten sie in die Alltäglichkeit der dreidimensionalen Welt zurück, aus der sie doch stammten.  Und nun, im neuen Aggregatzustand, offenbarte sich ihre Zerbrechlichkeit, Verletzlichkeit und Vorläufigkeit als generelle Zerbrechlichkeit, Verletztlichkeit und Vorläufigkeit des Menschenseins überhaupt - Eigenschaften, die von Jürgen Heckmanns in den anschließenden Werkgruppen auf eine ganz neue Art, auf nie dagewesene Weise versinnlicht wurden. Aus den nur dargestellten Allegorien wurden körperlich erlebbare Gleichnisse.


Gegen Ende der 1980er Jahre entstanden die Wände, Wände aus Papier. Sie sind leicht, sie stehen ohne Sockel frei und aufrecht im Raum. Sie verharren nicht nur, sondern sie regen sich leise schwanken im Luftzug. Zwar sieht man sie (und es verschafft große Sehlust, das über sie hinrieselnde Licht zu verfolgen), aber man erfährt sie nicht allein durch die Augen. Denn da ist noch etwas anderes: Wenn man nahe bei ihnen steht, dann bewirkt die eigene Atmung eine Luftbewegung, durch die eine Überbrückung entsteht zwischen diesen Wänden und einem selbst. Es entwickelt sich ein Gleichakt feiner Regung, eine gemeinsame Schwingung. Und was dann zum inneren Thema dieser Wände wird, das ist nicht bloß ihre sichtbare Form, sondern vor allem das Ich und Selbst des Betrachter,der seinen aufrechten Stand spürt und seine eigene Empfindlichkeit.
Jürgen Heckmanns


Jürgen Heckmanns
Es gibt eine ganze Reihe dieser Wände, kleinere und größere. Sie haben sich mit den Jahren verändert, das einst helle Papier ist nun bräunlich patiniert, Zeit und Alterung melden ihr Recht. Gruppiert Jürgen Heckmanns sie im Atelier, dann mutieren sie unter den Oberlichtern zu Labyrinthen unterschiedlich erhellter Schluchten, zu Gebirgswanderungen auf ebener Erde, sie wölben sich konvex, höhlen sich konkav (Generalthemen der Bildhauerkunst als "Kunst der Buckel und Höhlungen" - August Rodin), bleiben ohne Hierachie, ohne alles beherrschende Mitte - und zeigen so eine grundsätzliche Haltung dieses Künstlers in und gegenüber der Welt an: Sie zeigen vor allem vorurteilsfreie Neugier, Aufmerksamkeit, Verständigung und Geduld.


In jahrzentelanger Arbeit hat der Künstler sich eine Sicherheit erworben, die von anhaltender Experimentierlust weiter angetrieben wird und zu immer neuen Werken führt, den Leitern, den Gerippen, den kleinen und großen Figuren, den theaterförmigen Plateaus, den zahllosen teilweise mit Farbe überarbeiteten Reliefs, den Schattenbildern der Figurinen an der Wand, zuletzt zu den Trichtern oder Trompeten, die einfach vom Boden aufragen, von der Wand wegstehen, zu labilen Balancen übereinander getürmt sein können. Auch sie, das scheint beinahe ein Leitmotiv, ohne Sockel, immer in der Unmittelbarkeit des einfachen Gegenübers, ohne Er- oder Überhöhung, ohne Trennung vom communen Raum. Und auch sie sind ausgezeichnet mit dieser unangestrengten Leichtigkeit, wie sie charakteristisch ist für besonders gelungene Gedichte. Im Bündeln lehnen sie ander Atelierwand, sehen aus wie abgestellte Orgelpfeifen, vielleicht auch wie ganz einfache Flöten. Wenn man sie in die Hand nimmt und ans Ohre hält, dann hört man ihr trockenes Papier rascheln. Setzt man sie ans Auge, erfährt man verengten  Tunnelblick.  Wiegt man sie, so hat man Federleichtes. Sieht man sie als künstlerische kalkulierte bildhauerische Formgestaltungen an, dann hat man zugleich konvex und konkav, gewölbt und hohl, dann hat man Langes, das die Horizontale oder die Vertikale akzentuieren kann und selbstverständlich auch jeden anderen Winkel. Man ein Vielfaches, Reiches, Lebendiges.

Sie sehen aus wie Fernrohre. Je nach Blickrichtung bieten die ein ungewöhnlich nahes oder befremdlich fernes Bild der Welt. Aber Jürgen Heckmanns sagte, er nenne sie Trichter. Und er demonstrierte, wie er das meinte, sah hinein und hindurch, sprach von den unterschiedlichen Helligkeiten in diesem langen Tunnel. Und da fiel uns wie eine reife Frucht eins von Morgensterns wunderbaren Nonsense-Gedichten in den Schoß:
Zwei  Trichter  wandeln  durch  die  Nacht.
Durch ihres Rumpfs verengten Schacht
fließt   weißes  Mondlicht
still   und   heiter
auf      ihren
Waldweg
u.s.
w.

Jürgen Heckmanns

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